Eva Lichtspiele

Blissestraße 18
10713 Berlin
U Blissestrasse oder Bus 101, 104, 249
Tel.: 030 / 922 55 305
Wir zeigen heute,
Samstag, den 27.04.2024:


11:00 Eva:
Arrow Das Geheimnis der schwarzen Koffer (1962)

13:00 Eva:
Arrow Sowas von super!

15:15 Eva:
Arrow Morgen ist auch noch ein Tag

17:45 Eva:
Arrow Morgen ist auch noch ein Tag (OmU)

20:30 Eva:
Arrow Es sind die kleinen Dinge

Eintrittspreise

der neue Film von Hirokazu Kore-eda

Die Unschuld

... seit dem Bundesstart am 21. März in den Eva-Lichtspielen
bis Mittwoch (27.3.) um 17:30 Uhr, wobei am Mittwoch in OmU und dann wieder am Donnerstag und Freitag (28.+29.3.) um 17:45 Uhr !


Nach zwei im Ausland realisierten Filmen kehrt Hirokazu Kore-eda mit "Die Unschuld" in seine japanische Heimat zurück und variiert die humanistischen Themen, für die er bekannt ist, diesmal allerdings in einer für ihn ungewöhnlichen Dramaturgie. Drei Mal werden die selben Ereignisse gezeigt, allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven, bis sich am Ende die Wahrheit offenbart.

Kaibutsu
Japan 2023
Regie: Hirokazu Kore-eda
Buch: Sakamoto Yuji
mit: Eita Nagayama, Sakura Ando, Soya Kurokawa, Yuko Tanaka, Hinata Hiragi, Mugino Saori
Länge: 127 Minuten


FILMKRITIK:

Ein Haus brennt, mitten in der japanischen Kleinstadt, in der sich die Ereignisse von "Die Unschuld" abspielen. Ein Stripclub befand sich in dem Haus, den der Lehrer Hori (Eita Nagayama) offenbar regelmäßig besuchte. Allein das lässt ihn verdächtig erscheinen, zumindest in den Augen von Saori (Sakura Ando), eine alleinerziehende Mutter, die sich über das zunehmend rätselhafte Verhalten ihres Sohnes Minato (Soya Kurokawa) wundert. Mal schneidet der sich seine Haare ab, mal kommt er mit nur einem Schuh nach Hause. In der Schule jedoch findet Saori keine Antworten, die Direktorin Fushimi (Yuko Tanaka) weicht den besorgten Fragen der Mutter aus und Hori deutet an, das Minato seinen Mitschüler Yori (Hinata Hiragi) schlecht behandelt.

Viele Fährten werden in diesem ersten Teil gelegt, Andeutungen gemacht, Verdächtigungen ausgesprochen. Doch dann geht es an den Anfang zurück, zum brennenden Haus, doch diesmal bleibt die Erzählung beim Lehrer Hori, werden die Ereignisse aus seiner Perspektive geschildert. Und plötzlich wirkt manches ganz anders, die Verletzung an Minatos Ohr, ein Streit im Klassenzimmer, ein Sturz auf der Treppe. Doch erst wenn im dritten Teil von "Die Unschuld" aus der Perspektive von Minato erzählt wird, offenbart sich die Wahrheit, lösen sich die Rätsel auf.

Vor sechs Jahren wurde der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda für "Shoplifters" mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Der verdiente Höhepunkt einer großen Karriere, doch im Folgenden schien Kore-eda etwas verloren, drehte Filme in Frankreich und Südkorea, in fremden Kulturen, in fremden Sprachen, in denen er nicht so präzise, nicht so subtil agierte, wie man es von ihm gewohnt war. Nun ist er nach Japan zurückgekehrt, verfilmt allerdings zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder ein Drehbuch, das er nicht selber geschrieben hat, ein Buch auch, das nicht so klar und linear erzählt, wie ein typischer Kore-eda-Film.

Die Struktur, die die selben Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, erinnert an Akira Kurosawas Klassiker "Rashomon", allerdings mit einem fundamentalen Unterschied: Während sich in Kurosawas Film die unterschiedlichen Versionen eines Ereignisses widersprachen und sich am Ende somit keine klare Wahrheit herauskristallisierte, besteht am Ende von Kore-edas "Die Unschuld" kein Zweifel daran, dass die dritte Version, der Blick der Kinder, die Wahrheit darstellt.

Um diesen Effekt zu erreichen muss Kore-eda zuvor immer wieder manipulieren, falsche Fährten legen, den Zuschauer ebenso wie die erwachsenen Figuren täuschen. Wie leicht das geht, wie leicht man sich angesichts kleiner, missverständlicher Indizien, aber auch der gesellschaftlichen Konventionen, eine bestimmte Wahrheit zurechtlegt, darum geht es in "Die Unschuld." Das am Ende die Perspektive der Kinder die Wahrheit ans Licht bringt kann nicht überraschen: Immer wieder hat Kore-eda aus Sicht von Kindern und Jugendlichen erzählt, hat ihren Blick auf eine erwachsene Welt gezeigt, in denen ihre Wünsche und Sorgen oft nicht ernst genommen werden. Und so ist es auch diesmal. Im letzten Drittel ist Kore-eda schließlich ganz bei sich, ganz in der Welt, in der sich seit vielen Jahren bewegt und in der seine unverwechselbaren humanistischen Geschichten spielen.

Michael Meyns (programmkino.de)