Eva Lichtspiele
10713 Berlin
U Blissestrasse oder Bus 101, 104, 249
Tel.: 030 / 922 55 305
Mittwoch, den 13.11.2024:
15:45 Eva:
Der Traum von Lieschen Müller (1961) ADF
18:00 Eva:
Die Witwe Clicquot (OmU)
20:15 Eva:
Riefenstahl
Eintrittspreise
- Erwachsene 10,-- €
- ermäßigt 8,-- €
- Kinder (bis 14 J.) und Kinotag (DI) 7,-- €
Cosima Filmtheater
Bundesplatz Kino
Riefenstahl
... seit dem Bundesstart am 31. Oktober im Eva !
im Rahmen unserer Dokumentarfilmreihe "Serious(ly) - Dokumentarfilme zum Ernst der Lage"
Grandiose Kunst oder perfide Propaganda? An Leni Riefenstahl scheiden sich die Geister wie an keiner anderen Filmschaffenden. Ihr pompöser NS-Reichsparteitag-Film „Triumph des Willens“ ist hierzulande bis heute verboten, in Großbritannien findet er sich in der BBC-Liste der „100 besten Filme von Regisseurinnen“. Doku-Filmer Andres Veiel und TV-Journalistin Sandra Maischberger (als Produzentin) bekamen erstmals Zugang zu dem 700 Kisten umfassenden persönlichen Nachlass. Daraus entsteht ein akribisch zusammengestelltes, spannendes Puzzle einer widersprüchlichen Biografie. „Visionärin? Manipulatorin? Lügnerin?“ fragt das Poster programmatisch. Die Antworten überlässt Veiel, wie immer, klugerweise dem Publikum. Ein Meilenstein des biografischen Films. Zugleich ein wichtiger Aufklärungsfilm über die Macht der Bilder – in KI-Zeiten allemal von Aktualität.
D 2024
Regie: Andres Veiel
Filmlänge: 115 Minuten
Verleih: Majestic
Kinostart: 31.Oktober 2024
Weltpremiere: im Wettbewerb (außer Konkurrenz) der 81. Internationalen Filmfestspiele von Venedig
Den neuen Dokumentarfilm von Andreas Veiel sollten Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen
Der Regisseur untersucht anhand von neuem Material aus den Archiven und dem Nachlass Leni Riefenstahls die komplexe Beziehung der aufgrund ihrer ästhetischen Fähigkeiten gefeierten Filmemacherin und Inszenatorin von Nazi-Propaganda zum Hitler-Regime. Dabei pendelt er zwischen ihrer verklärten Darstellung und belastenden Beweisen für ihr Wissen über die Gräueltaten des Regimes. Riefenstahl selbst hat nach Kriegsende immer abgestritten, mit der menschenfeindlichen Ideologie der Nazis jemals sympathisiert zu haben. Doch nach ihrem Tod 2003 offenbarte ihr Nachlass endlich ein differenzierteres Bild Riefenstahls
FILMKRITIK:
Mit visueller Wucht inszeniert sie perfekte Körper in "Olympia", mit pompösen Massenaufmärschen macht sie den NS-Reichsparteitag in "Triumph des Willens" zur bildgewaltigen Propaganda-Show. 101 Jahre wurde Leni Riefenstahl alt. Schuldbewusst zeigte sich die Regisseurin nach Kriegsende nicht, ganz im Gegenteil. "Das war Kunst!", betont sie immer wieder gerne, mit Politik habe sie nie etwas am Hut gehabt. In zahlreichen Interviews und Talkshows präsentiert sich Riefenstahl gerne als harmlose, alte Dame. Schuld und Sühne? Fehlanzeige! Ein US-Journalist will es genauer wissen: "Wenn Sie Ihr Leben noch einmal leben könnten. Was würden Sie anderes machen?" -
"Mein Leben war sehr hart. Aber auch sehr reich. Ich würde es nochmals genauso leben. Vielleicht mit weniger Fehlern." – "Was waren Ihre Fehler? Ihre Nähe zu Hitler?" – darauf gibt es keine Antwort.
An anderer Stelle plaudert sie dann doch ein bisschen aus dem Führer-Nähkästchen und ihre Reaktion auf dessen erste Rede, die sie hörte: "Ich zitterte am ganzen Körper. Und war ich wie von einem Magnetismus eingefangen worden", berichtet die Regisseurin. Solche ehrlichen Momente hat Andres Veiel etliche gefunden in dem 700 Kartons umfassenden, persönlichen Nachlass. In Interviews erzählt sie vom strengen Vater, der lieber einen Sohn gehabt hätte und sie schlägt. Auch von Goebbels sei ihr Gewalt widerfahren. Bei Nachfragen bricht die Regisseurin das Gespräch zornig ab. Umso mehr schwärmt sie von ihrem Regiedebüt "Das blaue Licht", bei dem sie zugleich als Schauspielerin auftrat. Mit diesem Bergfilm wolle sie in Erinnerung bleiben, berichtet sie einem US-Journalisten: "Das war ein Schlüssel für mein Leben".
Wie bei einem Kaleidoskop dreht Veiel an seinen Bio-Pic. Bei harmlosen TV-Auftritten erlebt man eine reizende Riefenstahl. Bei kritischen Interviews verliert sie schnell die Geduld und bricht die Gespräche ab. Dass die Kamera dennoch weiterläuft, entgeht in der Aufregung ihrer Aufmerksamkeit. Als "Rattenfängerfilme" beschimpft ein Talkshow-Gast ihr Werk. Die Künstlerin reagiert vor der Kamera demonstrativ gleichgültig. Zeichnet anschließend jedoch akribisch alle Anrufe auf, in denen sie für ihren Auftritt gefeiert wird. Zu den archivierten Telefonaten zählt auch ein Gespräch mit Albert Speer über geplante Memoiren sowie die Höhe von Honoraren bei TV-Auftritten – bei denen sie sich viel geschäftstüchtiger anstellt als der NS-Rüstungsminister.
Zehn Jahre schreibt Riefenstahl an ihren Memoiren, möchte die Deutungshoheit über ihre Biografie behalten. Unterstützt wird sie dabei von ihrem 40 Jahre jüngeren Lebensgefährten Horst Kettner. Nach dessen Tod 2016 wird Riefenstahls ehemalige Sekretärin Gisela Jahn zur Alleinerbin, die den Nachlass der Stiftung Preußischer Kulturbesitz schenkte. TV-Journalistin Sandra Maischberger bekam als erste Zugang zu dem Werk, sie engagierte als Produzentin den preisgekrönten Doku-Filmer Andres Veiel, dessen "Beuys" sie faszinierte. Wie schon dort wartete eine Mammutaufgabe auf den Regisseur, der sich akribisch durch die Archiv-Berge arbeitete. Allein der Schnitt nahm 18 Monate Zeit in Anspruch.
Die Doku blendet ganz bewusst nicht aus, mit welchen überwältigenden Bildern die Riefenstahl in "Olympia" das Schöne, das Starke und Siegreiche feiert. Zugleich wird die tragische Geschichte des Kameramanns Willy Zielke erzählt. Der erleidet nach dem Dreh einen Nervenzusammenbruch, kommt in die Psychiatrie und wird zwangssterilisiert. Von Riefenstahl wird er im Stich gelassen, mit den Schwachen scheint sie zu keiner Empathie fähig.
Wie üblich stellt Veiel klugerweise nur die Fragen, die Antworten überlässt er dem Publikum. War die Reifenstahl nicht nur eine Großmeisterin der Bildsprache, sondern war sie bei der Inszenierung ihres eigenen Bildes gleichfalls eine Manipulationskünstlerin par excellence? Schließlich die ganz große Frage: Kann die visuelle Perfektion einer großartigen Ästhetik bewundert werden, ohne den politischen Kontext zu berücksichtigen?
Dieter Oßwald (programmkino.de)
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