Eva Lichtspiele
10713 Berlin
U Blissestrasse oder Bus 101, 104, 249
Tel.: 030 / 922 55 305
Montag, den 16.09.2024:
15:15 Eva:
Die Unbeugsamen 2 - Guten Morgen Ihr Schönen
17:45 Eva:
Petra Kelly - Act now !
20:15 Eva:
Ezra - eine Familiengeschichte (DF)
Eintrittspreise
- Erwachsene 10,-- €
- ermäßigt 8,-- €
- Kinder (bis 14 J.) und Kinotag (DI) 7,-- €
Cosima Filmtheater
Bundesplatz Kino
Die Unbeugsamen 2 - Guten Morgen Ihr Schönen
... seit dem Bundesstart am 29. August täglich in den Eva-Lichtspielen
bis Mittwoch (11.9.) täglich um 20:15 Uhr und von Donnerstag bis Samstag (12.-14.9.) um 17:45 Uhr und am Montag und Dienstag (16.+17.9.) auch um 15:15 Uhr!
im Rahmen unserer neuen Dokumentarfilmreihe "Serious(ly) - Dokumentarfilme zum Ernst der Lage"
"Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern!" Das Zitat der DDR-Regimekritikerin Annemirl Bauer steht am Ende von "Die Unbeugsamen", der 2021 als Dokumentarfilm – trotz Corona! – die Kinos und das Publikum eroberte. Darin erzählte der Autor und Regisseur Torsten Körner über die Zeit der Bonner Republik und von den wenigen wackeren Ladys, die sich seit 1949 abgerackert hatten, um für ihre eigene Akzeptanz zu kämpfen – und natürlich auch für ihre Vorstellungen von Politik. Das schrie geradezu nach einer Fortsetzung. Und jetzt ist sie da: "Die Unbeugsamen 2" erzählt von den Frauen in der DDR. Und auch hier geht es um die Kämpfe von Frauen in einer Gesellschaft, die von Männern und ihren Vorgaben geprägt ist.
Deutschland 2024
Drehbuch und Regie: Torsten Körner
Mit: Katrin Sass, Ulrike Poppe, Marei Bauer, Kerstin Bienert, Anke Feuchtenberger, Marina Grasse, Brunhilde Hanke, Katja Lange-Müller u. v. a.
Kamera: Anne Misselwitz
Länge: 104 Minuten
FILMKRITIK:
Torsten Körners Gesprächspartnerinnen sind diesmal eher selten Politikerinnen, und zwar durchaus systembedingt. Er spricht mit Frauen aus allen Bereichen, darunter auch viele Künstlerinnen. Einige von ihnen sind bekannt, so wie Katrin Sass, Brunhilde Hanke, die langjährige Bürgermeisterin von Potsdam, oder die Autorin Katja Lange-Müller. Gemeinsam mit ihnen geht Torsten Körner zurück in die Vergangenheit und zeigt: Ebenso wie ihre West-Schwestern mussten sich auch die DDR-Frauen mit Benachteiligungen und Diskriminierung herumschlagen. Auf dem Papier hatten sie die volle Gleichberechtigung, aber das hieß zunächst, dass sie genauso schwer arbeiten mussten wie die Männer – darüber freuten sich viele und waren sogar bereit, eine ständige Überforderung in Kauf zu nehmen, denn Haushalt und Kinder waren im Westen wie im Osten weitgehend Frauensache. Die wenigsten Männer, besonders wenn sie was zu sagen hatten, waren bereit, ihre Macht mit anderen zu teilen, und schon gar nicht mit einer Frau. Eine Frau als Chef? Das war bis in die 1980er Jahre für viele eine unmögliche Vorstellung – hier wie dort ließen sich die Männer am liebsten bedienen. So war es schon eine echte Sensation, wenn sich die Chefs am Frauentag eine Schürze umbanden und den Damen Kaffee und Kuchen servierten. Einmal im Jahr. Und die Frauen jubelten ihnen zu.
Laut Frauenreport von 1990, so ist zu erfahren, wurden die Frauen in der DDR ebenso wie in der Bundesrepublik im Schnitt schlechter bezahlt und hatten weniger Aufstiegschancen. Genau wie im Westen mussten also auch die Frauen im Osten für ihre Rechte kämpfen. Und das taten sie mit List und Tücke, mit Humor und Köpfchen.
Torsten Körner erzählt die Geschichte dieser Befreiung, in kurzen Kapiteln und mit passenden Inserts. In geschickt montierten Interviews (toller Bildschnitt: Sandra Brandl) stellt er viele unterschiedliche Frauen vor – ein Gruppenporträt, das von seiner Vielfalt ebenso lebt wie von der gemeinsamen Motivation, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Das ist atmosphärisch ebenso gelungen, aber ganz anders als im ersten Film, der eine relativ überschaubare Anzahl von Frauen zeigte, die sich alle beruflich der Politik verschrieben hatten. Hier ist die Wirkung insgesamt eine andere – die Unterschiede werden stärker hervorgehoben, wodurch ein kontrastreiches Gesamtbild entsteht, das von Frauen aus Kunst und Kultur dominiert wird. Auch diesmal werden die Gespräche mit Fotos, Filmclips oder TV- Ausschnitten und mit passenden DDR-Songs kombiniert. Als visuelle Verbindung zwischen den Frauen und den Themen dienen DDR-Kunstwerke an öffentlichen Gebäuden, meist Sozialistischer Realismus in Reinkultur – auch in der Kunst spiegelt sich die politisch erwünschte Frauenrolle. In diesem System galt der Feminismus weder als notwendig noch erstrebenswert, denn die Gleichberechtigung war ja (angeblich) schon da. Doch es regte sich immer mehr Widerstand. So wird der feministischen Malerin Annamirl Bauer, die mit ihrer rebellischen Kunst zur Außenseiterin wurde, ein eigenes Kapitel gewidmet.
Torsten Körner gelingt es, seinem Film von der ersten bis zur letzten Minute eine angenehme und leicht nostalgisch angehauchte Atmosphäre zu geben. Nach einem scheinbar harmlosen Beginn mit vielen kleinen Geschichten vom Frauenleben in der DDR steigert sich die Intensität, der Film dringt immer stärker in den Bereich "Frauen und Systemkritik" ein, und das nicht nur, weil bekanntere Stimmen der DDR-Opposition zur Sprache kommen. Parallel dazu entwickelt sich eine schöne Ironie aus dem Miteinander und Gegeneinander von Erzählungen und Bildern aus der Vergangenheit. "Emanzipierte Frauen sind alle potentielle Dissidenten", lautet das Zitat von Irmtraud Morgner, der 1990 verstorbenen Autorin. Katja Lange-Müller, die Schriftstellerin, die ebenso vergnügt wie beständig Kette raucht, erzählt von ihrem "unhandlichen Leben": Sich durchbeißen oder durchgebissen werden, hieß die Devise. Frauen wurden als billige Arbeitskräfte gebraucht und ausgenutzt. Und viele waren auch noch glücklich darüber ...
Torsten Körner zeigt auch Bilder von abgearbeiteten, ausgelaugten Frauen, kaputt vom Schuften und von der Last der Familienarbeit. Zum Dank für ihren Einsatz durfte die DDR-Frau zum Mythos werden: Sie gilt heute als Superheldin des Alltags, im Gegensatz zu ihren West-Schwestern fortschrittlicher, freizügiger und emanzipierter. Wer sich aber als Frau in diesem Staat mit seinen ausgeklügelten Belohnungs- und Unterdrückungsstrukturen behaupten wollte, musste gegen ein ebenso restriktives patriarchales System kämpfen wie im von der DDR so oft und gern verteufelten Westen. Körner entlarvt die DDR-Ideologie als prinzipiell frauenfeindlich, er erzählt von Friedensaktivistinnen wie Ulrike Poppe oder von der legendären Steffie Spira. Bei gleichbleibend leichter und lockerer Stimmung taucht Torsten Körner mit seinen Protagonistinnen immer tiefer ein in die Lebenswelten von Frauen in der DDR. Und er zeigt einen der schönsten Filmausschnitte aus einem der besten DDR-Filme: "Solo Sunny" (Konrad Wolf, 1980) mit der unvergessenen Renate Krößner. "Ist ohne Frühstück", grummelt sie am Morgen ihrem One Night Stand entgegen, und als der widersprechen will, raunzt sie hinterher: "Ist auch ohne Diskussion."
Wie gesagt: Humor und Köpfchen.
Gaby Sikorski (programmkino.de)
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